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1.2 Szenenwechsel

Viele Szenenwechsel gehen beim Lesen und Schreiben völlig unter, und das ist auch kein Problem.  Der Inhalt des Textes kann den Szenenwechsel vollständig repräsentieren.  Es ist in vielen dieser Fälle nicht notwendig, etwas am Text speziell zu formatieren.

Aber Boromir sprach nicht mehr.

»Oh weh!«, sagte Aragorn. »So stirbt der Erbe von Denethor, des Herrn des Turms der Wache! […] Was soll ich nun tun? Boromir hat mir auferlegt, nach Minas Tirith zu gehen, und mein Herz wünscht es; aber wo sind der Ring und sein Träger? Wie soll ich sie finden und die Fahrt vor dem Scheitern bewahren?«

Eine Weile kniete er noch, gebeugt vom Schmerz, und umklammerte Boromirs Hand. So fanden ihn Legolas und Gimli. Sie kamen von den westlichen Hängen des Bergs, lautlos, und krochen zwischen den Bäumen hindurch, als ob sie auf der Jagd seien. […]

In diesem Text aus Boromirs Tod findet ein fließender Szenenübergang statt mit dem Satz So fanden ihn Legolas und Gimli.  Neue Figuren treten auf, die Stimmung ändert sich.  Wir sehen also, dass Szenen ineinander übergehen können, ohne eine optische Spur im Text zu hinterlassen.

Es kommt aber auch vor, dass der Text uns nicht sofort mit seinem Inhalt vermittelt, dass eine neue Szene beginnt.

»Dann werde ich eben ganz ohne euch alle davonlaufen! Ich werde mir ein neues Zuhause suchen und neue Eltern! Ich werde mir auch neue Geschwister suchen, die mich nicht immer im Stich lassen, wenn es darauf ankommt!«

Niemand wollte etwas sagen. Schweigend und betreten gingen alle ins Bett.


»Weißt du, ob Mick schon weg ist?«, fragte am nächsten Morgen Mark seine Schwester. Er warf einen unsicheren Blick in das leere Bett seines kleinen Bruders.

In diesem Beispiel gibt es einen Szenenwechsel unmittelbar vor der Frage, ob Mick schon weg ist.  Wir erfahren im anschließenden Inquit aus dem Text, dass diese erst am Morgen danach gestellt wird.  Diese Frage erfolgt also etliche Stunden später, damit ist es eine neue Szene.  Um den Leser darauf hinzuweisen, wird hier der Szenenwechsel durch einen großen Absatz markiert.

Ein großer Absatz kann optisch – wie hier – durch eine Leerzeile markiert werden.  In dieser Leerzeile kann aber auch ein spezielles Zeichen stehen.  Ein historisch gesehen häufig dafür verwendetes Zeichen ist der Asterism, auch Dinkus oder Abteilungssternchen genannt:

Heute ist er allerdings nicht mehr sehr gebräuchlich.  Aber auch drei Sternchen nebeneinander

*  *  *

oder auch nur einer

*

oder eine kurze horizontale Linie (Abteilungslinie)

————

oder eines von mehreren möglichen graphischen Symbolen wie das Fleuron

oder das rotierte Fleuron

oder ein ornamentierter, größerer Stern

ist möglich.

Was am Ende verwendet wird, ist eine Entscheidung des Setzers, die von Verlag zu Verlag und auch nach Genre des Textes unterschiedlich gehandhabt wird.  Für das Schreiben einer Erzählung ist nur relevant, dass es Szenenwechsel gibt, die optisch durch einen großen Absatz markiert werden.

Im Manuskript (siehe 5 Die Normseite) würde ich immer empfehlen irgendein spezielles Zeichen mittig in die Leerzeile zu setzen, damit der große Absatz nicht übersehen werden kann, falls er am Seitenende oder -anfang landet (siehe 5.3.1 Szenenwechsel).  Ich selbst benutze das Sternchen (*).  Im englischen Sprachraum wird in einigen Ratgebern empfohlen, das Doppelkreuz (#) zu benutzen.


Nächster Abschnitt: 1.3 Absätze

1 Kommentar:

  1. Ich habe einen weiteren Begriff für die Zeichen zwischen zwei Szenen kennengelernt: Trenner.

    Aber ich bin sicher, dass da draußen noch weitere rumschwirren ;-)

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