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6.1.2 Mechanismen der Geschichte

Geschichten können auf verschiedene Weise funktionieren.  Damit ist gemeint, dass sie es schaffen, den Leser bei der Stange zu halten und zu unterhalten.  Im Idealfall so gut, dass der Leser am Ende zufrieden ist und mehr aus derselben Quelle lesen will.  Was genau Geschichten gut macht, würde hier den Rahmen sprengen.  Dazu gibt es außerdem schon Unmengen an Literatur, die das besser erklären kann als ich.  Für uns ist an dieser Stelle nur wichtig, dass wir dem Verlag deutlich machen müssen, dass wir diese Kriterien erfüllen, die gute Geschichten ausmachen.

Das können wir auf verschiedene Weise erreichen.  Zum einen können wir die dazugehörigen literarischen Mittel beim Exposé selbst anwenden und damit schon demonstrieren, dass wir in der Lage sind, eine funktionierende Geschichte zu schreiben.  Wir können also spannend schreiben, witzig, so, dass der Leser neugierig wird, wir können Fragen aufwerfen, die der Leser beantwortet haben will, usw.

Kaum hat der Reporter Krinich die Stadt erreicht, taucht ein Mann auf, der ihn verfolgt, und bald wird klar, dass jeder stirbt, den Krinich interviewt hat. Ob der Verfolger die Leute ermordet? Doch schließlich trifft Krinich direkt auf den unheimlichen Mann und stellt ihn zur Rede. Dabei wird klar, dass Krinich die Leute versehentlich selbst mit einem Kontaktgift umgebracht hat und der Mann ein Mitarbeiter des Labors war, aus dem das Gift stammte. Er hat nicht Krinich verfolgt, sondern versucht, die Giftunfälle aufzuklären.

Wir können aber auch direkt sagen, wie unsere Geschichte funktioniert, und damit den Mechanismus offenlegen.

Als er ein Labor besucht, wird der Reporter Krinich mit einem Kontaktgift verseucht, was wir aber nicht erfahren. Zurück in der Stadt kontaminiert er unwissentlich verschiedene Leute mit dem Gift. Die bald einsetzenden Tode rufen einen Mitarbeiter des Labors auf den Plan, der die Unfälle aufklären soll. Krinich interpretiert die Informationen über den ihm unbekannten Mann als Verfolgung und hegt den Verdacht, dass dieser alle Leute ermordet, die Krinich interviewt. Aus der Sicht Krinichs beschrieben entwickelt sich so eine vermeintliche Hetzjagd, die sich schließlich in einem Gespräch mit dem Mann aufklärt.

Damit beweisen wir ebenfalls, dass wir das entsprechende Wissen um die Mechanismen einer funktionierenden Geschichte besitzen und beim Schreiben darauf geachtet haben.

Insbesondere komplexe Sachverhalte (er glaubt, dass sie Beweise hat, dass er schon immer gedacht hat …) lassen sich auf die zweite Weise oft klarer formulieren, sodass der Leser des Exposés nicht den Eindruck einer überbordenden Komplexität bekommt.  Besonders eine rückblickende Aufklärung solcher Sachverhalte (wie in der ersten Version) kann kritisch werden.  Im Text der Geschichte wäre diese Komplexität vielleicht gar nicht vorhanden (sondern z. B. in einem entsprechenden Dialog untergebracht), also sollte man auch im Exposé nicht diesen Eindruck vermitteln.


Zudem dürfte ein Verlagslektor nur bedingt daran interessiert sein, beim Lesen von Exposés auf die Folter gespannt zu werden, um dann erst spät eine Auflösung zu erfahren, die ihn die Inhaltsangabe mit diesem erhellenden Wissen dann noch einmal lesen lässt, um so wirklich zu verstehen, was in dem Buch geschieht.  Scheinbar Unzusammenhängendes merkt man sich schwerer.

Andererseits kann gerade das Interesse wecken.

In New York grassiert eine Seuche. In Neapel schlägt ein Asteroid ein und verwüstet ein ganzes Stadtviertel. In Neu Delhi explodiert ein Treibstofflager und reißt tausende Menschen in den Tod. Und in Nürnberg schwemmt ein sintflutartiger Starkregen alles in der Nähe der Pegnitz davon.

Der Fluch des Schwarzmagiers Ndario trifft die Städte mit N zuerst.

Oder direkt, etwas technischer, mit weniger literarischen Stilmitteln:

Der Schwarzmagier Ndario spricht einen Fluch aus, der weltweit in Städten mit N für Katastrophen sorgt. New York, Neapel, Neu Delhi und Nürnberg trifft es zuerst mit Seuchen, Asteroideneinschlägen, Explosionen und Überschwemmungen.

Eine klare Präferenz gibt es nicht, jede Variante hat ihre Vor- und Nachteile.


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